Mobiles Arbeiten


Schon vor der Corona-Pandemie konnte man in den Behörden und Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung beobachten, dass man sich zunehmend mit Mobiler Arbeit beschäftigte. Ich habe 2019 damit begonnen, mich mit den verschiedenen Ansätzen und Reglungen zu beschäftigen. 15 Landesbehörden in NRW unterstützten mich dabei, ihre damaligen Dienstvereinbarungen unter die Lupe zu nehmen. Aus der Inhaltsanalyse ist eine Handreichung entstanden. Danach konnte ich die Erfahrungen von Beschäftigten mit dem Homeoffice während des ersten Lockdowns erfassen. An der Mitarbeiter*innenbefragung nahmen fast 1.500 Personen teil. Beide Berichte habe ich online über das Institut ViWa veröffentlicht.


Was wird betrachtet und was gehört dazu? Abbildung aus: Eckert, M. (2020). Mobiles Arbeiten in der Landesverwaltung. Witten: Institut Viwa.
Mobiles Arbeiten – Out-of-the-box-Denken als Erfolgsstrategie, 2021

„In Dienstvereinbarungen werden in der Regel das „Warum“ (Ziele und Vorteile), das „Wann“ (feste Tage, einzelne, kurzfristig in Anspruch genommene, mobile Tage) und das „Wie viel“ (Anteil mobiler Arbeit an der Wochenarbeitszeit) sowie Antrags- und Genehmigungsverfahren beschrieben. Zu den „Must-haves“ gehören die rechtlichen Rahmenbedingungen, zum Beispiel zum Arbeitsschutz, Nachteilsverbot, zu den Befugnissen der Personalvertretung und zur Datensicherheit, die sich in Dienstvereinbarungen überwiegend gleichen.

Die Bedeutung für die Organisationsentwicklung und die Konsequenzen für das zugrunde liegende Führungsverständnis werden, wenn überhaupt, bisher häufig nur in Präambeln gestreift. Das heißt: Mobiles Arbeiten wird bisher vorwiegend aus einem operativen Blickwinkel betrachtet. Gerade mit den organisationsstrategischen und -kulturlichen Aspekten wird man sich jedoch in Zukunft intensiver beschäftigen müssen. Auch der Entwicklung individueller Potenziale von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Führungskräften und den Auswirkungen mobiler Arbeit auf Gesundheit und Zusammenarbeit muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass mobile Arbeit ihre volle Produktivität dann erreicht, wenn Teams echte Kollaboration praktizieren. Sie halten mobiles Arbeiten für unverträglich mit stark auf hierarchische Koordination und Kontrolle setzenden Unternehmenskulturen. Boos et al. (2017) stellen fest, dass die Vorteile und Potenziale räumlich verteilter Zusammenarbeit nicht erschlossen werden, wenn die auf Kooperation und Eigenverantwortung setzende Basis für Zusammenarbeit und Führung nicht angemessen gestaltet wird“, Eckert, M. (2021). Out-of-the-box-Denken als Erfolgsstrategie. Innovative Verwaltung, 43(4), 10-3.


Mobiles Arbeiten – Dienstvereinbarungen in der Landesverwaltung, 2020

Soziale Gesichtspunkte. Die vorliegende Analyse konnte aufzeigen, dass Behörden überwiegend die Qualität der Aufgabenbearbeitung im Blick haben. Da sich aber bei Beschäftigten bereits ab dem zweiten Tag Telearbeit pro Woche Anzeichen für soziale Desintegration zeigen – fast 50 % der Befragten bestätigen, dass ihnen ihr Team fehlt (DAK, 2020) – sollten soziale Aspekte zukünftig in Dienstvereinbarungen und Umsetzungsmodellen stärker beleuchtet werden. Müller (2019) plädiert dafür, bei der Unterweisung zur Arbeitsplatzsicherheit auch auf soziale Risiken und Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hinzuweisen. Ein funktionstüchtiges Team ist für Arbeitsergebnisse, aber auch für Wohlbefinden und Belastungsresistenz relevant. Wird Arbeit zu stark individualisiert, können z. B. soziale Vergleichsprozesse entfallen, die wichtig sind, damit die/der Einzelne Rückschlüsse auf eigene Kompetenzen ziehen und Stolz empfinden kann. Nur kontinuierliche, vertraute Kontakte sichern kollegiale Entlastung, nicht nur bei aufgabenbezogenen, auch bei privaten Problemen und Herausforderungen. Denn kollegiale Zusammenarbeit ist mehr als nur Arbeit, sie dient auch der emotionalen Bindung und als Hygienefaktor. Das Gefühl von Gemeinsamkeit und die Bestätigung kollektiver Stärke, die insbesondere bei hoher Arbeitsdichte für ein adäquates Coping benötigt werden, können sich schlechter entwickeln, wenn sich Teams nur noch in wechselnder Zusammensetzung erleben. Leidet die gemeinsame Präsenz und fehlen funktionstüchtige Tools für eine digitale Zusammenarbeit, steigt die Wahrscheinlichkeit für bilaterale Arbeitsbeziehungen. Konzentrieren sich die Kontakte und Abstimmungsprozesse auf die Führungskraft als wichtigste/r Ansprechpartner*in, hat man es mit einer sternförmigen Gruppenkonstellation zu tun: Die Führungskraft steuert Einzelne, während der Austausch und die Kollaboration zwischen den Teammitgliedern abnehmen.

In solchen Konstellationen können dysfunktionale Prozesse, z. B. problematisches Entscheidungs- und Führungsverhalten, länger unentdeckt bleiben als im klassischen Präsenzbetrieb. Erfahrungsgemäß werden bei sternförmigen Führungsmodellen auch Fehler stärker personalisiert. Wegen des mangelnden Austauschs auf horizontaler Ebene kann bei negativem Feedback durch die Führungskraft das Selbstwertgefühl einzelner stark beansprucht werden. Bei digitaler Kommunikation besteht zudem das Risiko der Verkürzung, wenn z. B. Feedback via E-Mail vorgebracht wird, während die persönliche Kommunikation sich reduziert.

Gerade bei einer hyperflexiblen Handhabung mobiler Arbeit sind die aktive Stabilisierung der Teamumwelt und die Stärkung des Selbstmanagements als Gegengewichte zwingend notwendig. Anlässe für gemeinsames Arbeiten und informelle Zusammenkünfte, aber auch Regeln für die Zusammenarbeit und den Informations- und Wissenstransfer sind äußerst wichtig. Nicht immer sind Mitarbeiter*innen und Führungskräften diese Mechanismen bewusst. Für Führungskräfte bedeutet das, dass sie im Präsenzbetrieb und in Homeoffice-Phasen präventiv, steuernd, strukturell klar und gewissermaßen teamdiagnostisch mehr Verantwortung übernehmen müssen.

Behörden sind gut beraten, wenn sie bei der Entwicklung oder Modifizierung von Dienstvereinbarungen frühzeitig neben den Vorteilen von mobiler Arbeit auch die Komplexität, die Risiken und potenziellen Mehrbelastungen für Beschäftigte und Führungskräfte reflektieren und kommunizieren. Die bewusste Anbindung an das Gesundheits- und Personalentwicklungsmanagement ist notwendig. Allerdings haben entsprechende Elemente in den Dienstvereinbarungen der teilnehmenden Behörden noch keinen zufriedenstellenden Niederschlag gefunden“, Eckert, M. Mobiles Arbeiten – Dienstvereinbarungen in der Landesverwaltung, Witten: ViWa, S. 50-51.